Themenvielfalt und künstlerischer Stil
Franz Bergmann war kein Bildhauer im klassischen Sinn, sondern Unternehmer und Gießer. Er arbeitete eng mit einer Reihe von Entwerfern und Modellbildhauern zusammen, die nach seinen Vorstellungen oder auf eigene Initiative die Vorlagen für die Gussmodelle schufen. Das Repertoire seiner Gießerei war stilistisch breit gefächert und folgte dem Zeitgeschmack ebenso wie dem Exotismus und Eros der Jahrhundertwende.
Die wichtigsten Themenbereiche der Franz Bergmann Skulpturen waren:
1. Orientalismus:
Die Darstellung des Orients war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der europäischen Kunstszene sehr beliebt. Tänzerinnen mit Schleiern, Beduinen auf Kamelen, Haremswächter, Marktszenen und Moscheen gehörten zu den Motiven, die Bergmanns Werkstatt in feinen Details produzierte. Diese exotischen Szenen waren reich dekoriert und vermittelten eine romantisierte Vorstellung des fernen Ostens.
2. Erotische Skulpturen:
Ein besonders gefragter Zweig waren erotische Darstellungen. Um sich von der konservativen Öffentlichkeit zu schützen, signierte Bergmann diese Arbeiten oft mit dem Pseudonym „Nam Greb“ – seinem Namen rückwärts. Diese erotischen Werke waren häufig mechanisch: Hinter Klappen, Türen oder Schleiern verbargen sich erotische oder humorvolle Szenen. Diese verspielte Kombination aus Technik und Inhalt machte Bergmanns erotische Miniaturen besonders begehrt bei Sammlern.
3. Tierfiguren:
Von Elefanten, Löwen und Hunden bis hin zu fantasievollen Kombinationen von Tier und Mensch – auch hier zeigte sich die große Bandbreite seiner Werkstatt. Besonders beliebt waren vermenschlichte Tiere in Kleidung, etwa Affen als Musiker oder Katzen als Tänzerinnen.
4. Religiöse und folkloristische Szenen:
Auch christliche Darstellungen, Krippenszenen, sowie Darstellungen ländlichen Lebens, etwa Hirten, Bäuerinnen oder Marktfrauen, gehörten zum festen Bestand.
Viele dieser Figuren hatten bewegliche Teile oder waren als kleine mechanische Wunderwerke konzipiert – eine Spezialität der Wiener Kunsthandwerker.
Die Werkstatt Bergmann
Bergmanns Gießerei war eine der größten und bedeutendsten in Wien. Um die Jahrhundertwende arbeiteten dort Dutzende von Angestellten: Gießer, Ziseleure, Maler, Modellbauer und Lagerarbeiter. Zu den bekanntesten Künstlern, die mit ihm zusammenarbeiteten, gehörten unter anderem Bruno Zach und Franz Barwig.
Die Produkte wurden weltweit vertrieben – vor allem nach Großbritannien, Frankreich und in die USA. Dort erfreuten sich die kleinformatigen, dekorativen Bronzen großer Beliebtheit bei der bürgerlichen Mittel- und Oberschicht. In ihrer Kombination aus Funktionalität, Fantasie und Luxus trafen sie genau den Nerv der Belle Époque.
Wirtschaftliche Umbrüche und Spätzeit
Die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren hatte massive Auswirkungen auf die Kunst- und Luxusindustrie. Auch die Firma Bergmann geriet unter Druck. 1930 musste die Werkstatt den regulären Betrieb einstellen. Franz Bergmann starb am 1. Januar 1936.
Sein Sohn Robert Bergmann führte die Gießerei vorübergehend weiter, doch 1954 wurde auch dieser Versuch endgültig eingestellt. Die Rechte und Formen gingen später an Karl Fuhrmann & Co., ein Unternehmen, das die Herstellung klassischer Wiener Bronzen bis 2012 fortsetzte.
Nachwirkung und heutige Bedeutung
Die Franz Bergmann Skulpturen gehören heute zu den gefragtesten Objekten der klassischen Wiener Kunsthandwerkskunst. Sie sind weltweit in Museen, Galerien und Privatsammlungen vertreten. Ihre kunsthistorische Bedeutung liegt in der Verbindung von technischer Meisterschaft, ästhetischer Vielfalt und dem Zeitgeist der Jahrhundertwende.
Besonders geschätzt werden:
- Originalsignierte, gut erhaltene Bronzen mit farblicher Fassung
- Erotische „Nam Greb“-Figuren
- Orientalistische Miniaturen mit detaillierten Szenen
- Mechanische oder humorvolle Tierdarstellungen
Auktionspreise für Originalwerke schwanken je nach Größe, Zustand und Seltenheit zwischen 1.000 und über 20.000 Euro.
Fazit
Franz Xaver Bergmann war kein klassischer Künstler, sondern ein herausragender Vertreter der angewandten Kunst, der mit seiner Gießerei ein einzigartiges Werk geschaffen hat: eine Miniaturwelt der Sinnlichkeit, Fantasie und Präzision. Seine Bronzen stehen für das Beste, was die Wiener Werkstätten in der Blütezeit der K.u.k.-Monarchie hervorgebracht haben. Sie sind Ausdruck einer untergegangenen Welt, deren Zauber noch heute in diesen kleinen Kunstwerken weiterlebt.