Der Kosovo-Zyklus und der Aufstieg zur internationalen Größe
Zwischen 1906 und 1914 arbeitete Meštrović an seinem wohl ambitioniertesten Projekt: dem Kosovo-Zyklus. Dabei handelte es sich um monumentale Skulpturen, die sich auf die Schlacht auf dem Amselfeld (1389) zwischen Serben und Osmanen beziehen – ein zentrales Motiv des südslawischen Nationalbewusstseins. Die Skulpturen waren für einen monumentalen Tempel gedacht, der nie realisiert wurde.
Sein Durchbruch kam 1911 mit der Internationalen Kunstausstellung in Rom, wo der Kosovo-Zyklus eine eigene Halle erhielt und für Aufsehen sorgte. Er wurde als das neue künstlerische Gesicht des Slawentums gefeiert – ein politisch-symbolischer Akt gegen die Dominanz westlicher Kunstzentren.
Kriegszeit, Exil und kulturelles Engagement
Im Ersten Weltkrieg wurde Meštrović, der sich offen gegen die Habsburger stellte und ein Verfechter der südslawischen Einheit war, als politisch verdächtig eingestuft. Er emigrierte nach Italien, Schweiz und später nach London. In dieser Zeit engagierte er sich für die Gründung eines gemeinsamen jugoslawischen Staates, was ihm im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (ab 1918: Jugoslawien) hohe Anerkennung einbrachte.
Nach dem Krieg ließ er sich in Zagreb nieder, wo er 1922 Professor an der Akademie der bildenden Künste wurde. Zwischen 1923 und 1942 diente er dort auch mehrfach als Rektor. Gleichzeitig war er politisch aktiv, setzte sich für kulturelle Autonomie Kroatiens innerhalb Jugoslawiens ein und wurde zur moralischen Stimme einer Generation.
Bedeutende Werke
Zu den wichtigsten Werken Ivan Meštrovićs zählen:
- Brunnen des Lebens (Zagreb, 1905): Frühwerk vor dem Nationaltheater, das mit erotischen und symbolistischen Figuren den Zyklus von Geburt, Liebe und Tod thematisiert.
- Gregor von Nin (Split, 1929): Monumentale Statue des mittelalterlichen Bischofs, der für das slawische Gottesdienstrecht kämpfte – ein Nationaldenkmal und bis heute beliebte Pilgerstätte.
- Geschichte der Kroaten (Zagreb, 1932): Allegorische Darstellung der kroatischen Identität als junge Frau mit Kreuz – eines seiner wichtigsten national-symbolischen Werke.
- Nikola Tesla (USA, 1956): Monument in Niagara Falls und Belgrad, das Meštrović zu Ehren seines engen Freundes schuf – Ausdruck ihrer gemeinsamen Vision für eine moderne, humanistische Welt.
- Pietà (Notre Dame University, USA): Christliche Symbolik mit barocker Dramatik – geschaffen im amerikanischen Exil, zeigt Maria, wie sie den toten Christus betrauert.
Zweiter Weltkrieg und Exil in den USA
Während des Zweiten Weltkriegs wurde Meštrović von den faschistischen Ustaša-Behörden inhaftiert, da er sich weigerte, mit dem Regime zu kollaborieren. Auf Intervention des Vatikans kam er 1942 frei und floh zunächst nach Rom, später über die Schweiz und Kanada in die USA.
In den USA wurde er schnell integriert: 1947 nahm er eine Professur an der Syracuse University an, ab 1955 lehrte er an der renommierten University of Notre Dame in Indiana. 1954 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft.
In seinen letzten Jahren widmete er sich zunehmend religiösen und philosophischen Themen und schuf mehrere große Holzskulpturen, darunter ein monumentales Kruzifix, das heute in Notre Dame zu sehen ist.
Tod und posthumes Vermächtnis
Ivan Meštrović starb am 16. Januar 1962 in South Bend, Indiana, im Alter von 78 Jahren. Gemäß seinem Wunsch wurde er in Otavice, seinem Heimatdorf, in der von ihm selbst entworfenen Familienkapelle beigesetzt – eine Kirche, die sein gesamtes künstlerisches Weltbild verkörpert: Glaube, Volkskultur, klassische Form und persönliche Symbolik.
Sein Werk umfasst:
- Über 60 Monumente und Denkmäler in Europa und Amerika
- Mehr als 1.000 Skulpturen in Holz, Stein, Bronze und Marmor
- Architekturprojekte, darunter Museen, Kirchen und Grabmäler
- Zeichnungen, Lithografien, sowie zahlreiche Essays und Memoiren
Bedeutung und Rezeption
Ivan Meštrović gilt als einer der größten Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Er verband klassische Skulptur mit moderner Sensibilität, tiefem Humanismus und politischem Bewusstsein. Seine Fähigkeit, religiöse Tiefe, nationale Identität und universelle Symbolik zu vereinen, machte ihn zu einem Künstler, dessen Werke über Zeit und Nationen hinaus wirken.
Sein Einfluss erstreckt sich weit über den Balkan hinaus. Heute sind ihm gewidmet:
- Meštrović-Galerie in Split
- Atelier Meštrović in Zagreb
- Skulpturenparks und Museen in den USA, Italien, Serbien, Kanada und Chile
Er war nicht nur ein Bildhauer, sondern auch Architekt, Dichter, Politiker – ein Visionär, der die Seele seiner Nation mit dem Meißel der Weltkunst formte.
Fazit
Ivan Meštrović war ein Künstler zwischen den Welten: zwischen Kroatien und der Welt, Klassik und Moderne, Tradition und Zukunft. Seine Skulpturen erzählen Geschichten von Glaube, Leid, Hoffnung, Stolz und Menschlichkeit. In einer Epoche der Umbrüche bewahrte er ein künstlerisches Ethos, das Schönheit mit Bedeutung, Technik mit Geist verband.
Er bleibt ein Symbol für die kulturelle Kraft eines kleinen Landes – und ein Gigant der globalen Kunstgeschichte.