Stilistik, Thematik und Materialien
Amedeo Gennarellis Werk lässt sich eindeutig dem Art Déco zuordnen, doch blieb er stets einem gewissen klassizistischen Ideal verpflichtet. Seine bekanntesten Skulpturen stellen weibliche Akte dar – idealisierte, geschmeidig modellierte Frauenfiguren, häufig in tänzerischer Pose oder in Momenten zarter Bewegung. Charakteristisch ist die ruhige Harmonie, mit der er Körperhaltungen und Gesichtsausdrücke komponierte. Die dargestellten Frauen wirken weder dramatisch noch theatralisch, sondern würdevoll und still – Verkörperungen einer zeitlosen, fast antiken Schönheit.
Neben der figürlichen Darstellung von Frauen interessierte sich Gennarelli auch für Tierplastiken, insbesondere elegante Raubkatzen wie Panther oder Leoparden, die er mit ebenso feiner Beobachtungsgabe wie seine menschlichen Motive gestaltete. Ebenso schuf er dekorative Gebrauchsobjekte wie Lampen, Büsten, Aschenbecher und Wandreliefs, die für gehobene Interieurs bestimmt waren.
Für seine Skulpturen verwendete Gennarelli bevorzugt Bronze, die im sogenannten “cire-perdue”-Verfahren gegossen wurde – einer aufwendigen Wachsausschmelztechnik, die höchste Präzision ermöglicht. Einige seiner Werke wurden zusätzlich mit mehrfarbigen Patinas behandelt oder auf Marmorsockeln montiert. Neben Bronze arbeitete er auch mit Terrakotta, Marmor und gelegentlich mit Elfenbein – Materialien, die für Art-Déco-Statuetten typisch sind.
Zusammenarbeit mit Kunstverlegern und Produzenten
Ein wesentlicher Faktor für Gennarellis Erfolg war seine enge Zusammenarbeit mit führenden Pariser Kunstverlegern und Gießereien, darunter der renommierte Verleger Arthur Goldscheider sowie die Werkstatt Jules Lévy-Lehmann, beide bekannt für die Produktion hochwertiger Kunstobjekte im Stil des Art Déco. Gennarelli stellte nicht nur Unikate, sondern auch Editionen seiner Skulpturen her, die einem kunstsammelnden Publikum zugänglich gemacht wurden. Viele seiner Arbeiten wurden über Galerien und Salons an ein internationales Publikum verkauft, insbesondere in Frankreich, Großbritannien und den USA.
Rezeption, Tod und posthumer Ruhm
Amedeo Gennarelli starb im Jahr 1943 – mitten im Zweiten Weltkrieg. Seine Karriere war zu diesem Zeitpunkt bereits weitgehend abgeschlossen. Der Wandel in der Kunst nach 1945, als abstrakte und konzeptuelle Tendenzen an Bedeutung gewannen, ließ figurative und dekorative Bildhauer wie Gennarelli zunächst in den Hintergrund treten.
Erst mit der Wiederentdeckung des Art Déco in den 1970er und 1980er Jahren erlebte Gennarellis Werk eine Renaissance. Seine Skulpturen gelten heute als vorbildliche Repräsentationen der Art-Déco-Epoche. Werke wie “Femme au pigeon”, “Danseuse au tambourin” oder “Au destin” sind heute international gefragte Sammlerobjekte, die auf Auktionen Preise im vier- bis fünfstelligen Bereich erzielen. Seine Werke finden sich in Privatsammlungen sowie in Museen in Frankreich, Italien und Großbritannien.
Auswahl bedeutender Werke
- La femme au pigeon
- La Danseuse
- Au destin
- Panthère en marche
- Femme à la lyre
- Le Repos
Literaturhinweise
- Alberto Shayo: Statuettes Art Deco Period, Antique Collectors Club, 2016.
- Victor Arwas: Art Deco Sculpture, Academy Editions, 1992.
- Bryan Catley: Art Deco and Other Figures, Baron Publishing, 1978.
- Stéphane Richemond: Les Orientalistes. Dictionnaire des sculpteurs XIXe–XXe siècles, Les Éditions de l’Amateur, 2008.
- Ausstellungskataloge des Salon des Artistes Français (1913–1939)