Moderne Bronzeskulptur - Apokalyptisches Pferd - sign. M. Klein

Moderne Bronzeskulptur „Apokalyptisches Pferd“ von Martin Klein – Fragment einer Vision zwischen Mythos und Moderne

Die Skulptur „Apokalyptisches Pferd“ von Martin Klein ist kein realistisches Abbild eines Tieres, sondern ein bewusst entrücktes, fast geisterhaftes Sinnbild für das Ende, das Werden und das unausweichliche Vergehen. Das Pferd, traditionell Symbol für Stärke, Geschwindigkeit und Treue, ist hier zerklüftet, durchbrochen und aufgebrochen. Es erhebt sich aus einem düsteren Marmorsockel, der wie eine Plattform des Schicksals wirkt. Die Bronze windet sich zu einem Kopf mit leerem Blick, mit geöffneten Flächen, die wie vom Sturm zerrissen erscheinen. Es ist ein Wesen, das zugleich erscheint und vergeht, als ob es aus einer anderen Welt herüberweht – der Welt der Prophezeiung, der Offenbarung, der Apokalypse.

Die Form als Spiegel des Untergangs

Martin Kleins künstlerische Sprache ist abstrakt, doch nie unverständlich. In dieser Arbeit verzichtet er auf die gewohnte Anatomie, löst Muskeln und Masse auf und erschafft damit Raum für Interpretation. Der Körper des Pferdes scheint sich im Wind aufzulösen, als würde die Zeit selbst daran zerren. Die Löcher und Brüche in der Form lassen nicht nur Licht hindurch, sondern auch Bedeutung. Sie öffnen den Blick auf das Unsichtbare, auf das, was nicht mehr ist – oder vielleicht nie war. Es ist ein Pferd jenseits der Welt, ein Vorbote, ein Fragment aus einem Mythos, das uns daran erinnert, wie nah Tod und Transformation beieinanderliegen.

Ein Künstler mit Blick für Strukturen – und Abgründe

Martin Klein wurde 1979 in Bischofswerda geboren, einer Kleinstadt in Sachsen, in der sich Tradition und Wandel schon immer begegneten. Nach dem erfolgreichen Abschluss eines betriebswirtschaftlichen Studiums entschloss er sich zu einem radikalen Schritt: der völligen Hingabe an die Kunst. Was zunächst wie ein Bruch erscheinen mag, erweist sich in seinem Werk als harmonische Verbindung. Seine Skulpturen sind durchdacht, ihre Kompositionen folgen einer inneren Ordnung, die jedoch niemals starr ist. Vielmehr gelingt es Klein, rationale Struktur mit emotionaler Tiefe zu verweben. Seine Werke berühren, weil sie nicht nur gestaltet, sondern empfunden sind.

Ein Werk aus Dunkelheit und Feuer

Die Skulptur „Apokalyptisches Pferd“ entstand in Dresden, einem Ort, an dem Klein mit langjährig erfahrenen Gießern arbeitet. Die Bronze wurde im Wachsausschmelzverfahren gegossen und aufwendig patiniert, sodass sie eine lebendige Oberfläche zwischen Glanz und Schatten entwickelt. Die Textur ist rau, an manchen Stellen fast vulkanisch – als hätte sich das Werk selbst aus dem Erdinneren herausgekämpft. Die Signatur „M. Klein“ befindet sich dezent auf der Rückseite der Skulptur, als stiller Verweis auf ihre geistige Urheberschaft.

Die Reiter der Offenbarung

Das Pferd in dieser Skulptur verweist in seiner Titelgebung auf einen der vier apokalyptischen Reiter aus der Offenbarung des Johannes. Der dritte Reiter, der auf einem schwarzen Pferd erscheint, steht für Hunger, Mangel und Ungerechtigkeit. In seiner Hand hält er eine Waage – ein Symbol für das Abwiegen von Leben, für das Ende des Überflusses, für die Umkehr des Weltlichen. Martin Klein greift dieses biblische Motiv nicht wörtlich auf, sondern überträgt es in eine moderne, emotionale Bildsprache. Er zeigt kein vollständiges Ross, keinen Reiter, keine Waage – sondern ein Fragment. Ein Echo des Dritten Pferdes, das sich durch die Zeiten schleppt, aus Geschichte, Legende und Zukunft zugleich besteht.

Zerfall als künstlerischer Ausdruck von Wahrheit

Klein führt den Betrachter nicht zur Katastrophe, sondern zur Erkenntnis. Die Fragmentierung des Pferdekörpers ist keine Zerstörung, sondern eine Öffnung für Wahrheit. Es ist das, was bleibt, wenn alle Masken gefallen sind – das Skelett einer Idee, das Gespenst einer Zivilisation, das Echo eines einst lebendigen Ganzen. In dieser Skulptur steckt keine romantische Vorstellung vom Tier, sondern eine scharfsinnige Analyse von Endlichkeit, Macht und Wandlung. Der Künstler erschafft ein Kunstwerk, das sich weigert, dekorativ zu sein – und das genau deshalb eine so gewaltige ästhetische Wirkung entfaltet.

Ein Denkmal für das, was vergeht – und dennoch bleibt

„Apokalyptisches Pferd“ ist ein Mahnmal und ein Kunstobjekt zugleich. Es ist von monumentaler Klarheit trotz seiner abstrakten Form, von mythischer Kraft trotz seiner Leichtigkeit. Wer sich ihm nähert, wird nicht nur ein Pferd sehen, sondern eine Frage: Was bleibt, wenn alles fällt? Und was formt sich neu aus dem, was verloren geht? Martin Klein stellt diese Fragen nicht mit Pathos, sondern mit der stillen Präzision eines Künstlers, der die Apokalypse nicht als Schrecken, sondern als Spiegel versteht.